Der Fokus in der Arbeit der Cantus Academy liegt nicht wie in anderen Chören auf der Interpretation einer traditionellen Chorliteratur oder auf der Bewältigung der technischen Schwierigkeiten ihres Notentextes. Sie setzt gewissermaßen vorher, beim Klang des Einsingens an – und entwickelt diesen in die Tiefe hinein weiter. Die gemeinsam präzise Atemführung, die Abstimmung von Vokalfarben und ähnliche Aspekte des chorischen Singens sind also nicht Mittel zum Zweck der Interpretation, sondern sie sind der eigentliche Grund des singenden Zusammenkommens.
Es ist somit eine Arbeit, der etwas meditativ Rituelles innewohnt, ein Streben nach Genauigkeit im Einfachen. Hierfür stellt zum einen Lyhrus als Komponist musikalisches Material zur Verfügung: eine klangschöne, auch melodisch anrührende Musik, sparsam gesetzt und doch besonders und eigen. Zum anderen bietet Nils Jensen als Dirigent in Erarbeitung und Aufführung dieser Musik eine hörende Unbestechlichkeit, gepaart mit Grundruhe und Gelassenheit und nicht zuletzt einer den Singenden zugewandten Freundlichkeit und Wertschätzung.
Der Kern der Cantus Academy ist Chorgesang. Wenn wir vom Dreiklang Raum – Stille – Gesang sprechen, meinen wir zunächst schlicht chormusikalisches Handwerk.
Allerdings impliziert die Musik von Lyhrus selbst, die Art von Nils' Proben sowie eben die Erwähnung jenes Dreiklangs, dass es jenseits des reinen Handwerks noch etwas Anderes gibt: Das Arbeiten an Triadischen Gesängen ist für uns so etwas wie die säkulare Form einer kontemplativen Praxis (Thomas Metzinger). Es geht uns also weder um das Einstudieren klassischer Chorliteratur einerseits noch um hermetische Gruppenrituale andererseits, sondern um einen konkreten Übungsweg hin zu Stimm- und Klangschönheit sowie um neue Wege der Konzert(raum)gestaltung.
Uns beide verbindet ein tiefes Interesse an Fragen zum menschlichen Bewusstsein, an Aspekten der geistigen und körperlichen Wahrnehmung und an Philosophien und Wissenschaften, die sich der Verbindung von rationalem, verantwortungsbewussten Wissen und spiritueller Praxis widmen. Es eint uns die Einschätzung, dass es in dieser Zeit fundamentaler gesellschaftlicher Krisen einer Haltung bedarf, die dem Hören, genauer: dem Zuhören entspringt, also einem von Hinwendung geprägten menschlichen Miteinander.
Das Achten auf gemeinsame Atemführung, abgestimmte Klangfarben, stabile Intonation sind für uns in der Cantus Academy also sowohl der handwerkliche als auch der zwischenmenschliche Weg hin zu einer solchen kontemplativen Praxis.